Die formale Ladung ist ein Hilfsmittel zur Abschätzung der Verteilung der elektrischen Ladung innerhalb eines Moleküls. Das Konzept der Oxidationsstufen stellt eine konkurrierende Methode dar, um die Verteilung der Elektronen in Molekülen zu beurteilen. Vergleicht man die formale Ladung und die Oxidationsstufen der Atome in Kohlendioxid, so erhält man folgende Werte:
Der Grund für den Unterschied zwischen diesen Werten liegt darin, dass formale Ladung und Oxidationsstufen grundsätzlich unterschiedliche Betrachtungsweisen der Verteilung der Elektronen auf die Atome im Molekül darstellen. Bei der formalen Ladung wird davon ausgegangen, dass die Elektronen in jeder kovalenten Bindung exakt gleichmäßig auf die beiden Atome in der Bindung verteilt sind (daher die Division durch zwei in der oben beschriebenen Methode). Die formale Ladungsansicht des CO2-Moleküls ist im Wesentlichen unten dargestellt:
Der kovalente (teilende) Aspekt der Bindung wird bei der Verwendung von formalen Ladungen überbetont, da in der Realität eine höhere Elektronendichte um die Sauerstoffatome aufgrund ihrer höheren Elektronegativität im Vergleich zum Kohlenstoffatom vorhanden ist. Dies kann am effektivsten in einer elektrostatischen Potentialkarte visualisiert werden.
Mit dem Oxidationsstufenformalismus werden die Elektronen in den Bindungen an das Atom mit der größeren Elektronegativität „vergeben“. Die Oxidationsstufendarstellung des CO2-Moleküls ist unten abgebildet:
Oxidationszustände überbetonen die ionische Natur der Bindung; der Unterschied in der Elektronegativität zwischen Kohlenstoff und Sauerstoff reicht nicht aus, um die Bindungen als ionisch zu betrachten.
In Wirklichkeit liegt die Verteilung der Elektronen im Molekül irgendwo zwischen diesen beiden Extremen. Die Unzulänglichkeit der einfachen Lewis-Struktur-Ansicht von Molekülen führte zur Entwicklung der allgemeineren und genaueren Valenzbindungs-Theorie von Slater, Pauling und Co. und fortan zur Molekül-Orbital-Theorie, die von Mulliken und Hund entwickelt wurde.