Die Verisimilitude hat ihre Wurzeln sowohl in der platonischen als auch in der aristotelischen dramatischen Theorie der Mimesis, der Nachahmung oder Darstellung der Natur. Damit ein Kunstwerk für ein Publikum Bedeutung oder Überzeugungskraft besitzt, muss es nach Platon und Aristoteles in der Wirklichkeit begründet sein.
Diese Idee legte den Grundstein für die Entwicklung der Mimesis zur Verisimilitude im Mittelalter, besonders in der italienischen Heldendichtung. In dieser Zeit wurde der theoretischen Untermauerung der Fiktion mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Diese Verschiebung manifestierte sich in einer verstärkten Konzentration auf die Einheit in der heroischen Dichtung. Egal wie fiktionalisiert die Sprache eines Gedichts auch sein mochte, durch Verisimilitude hatten die Dichter die Möglichkeit, ihre Werke so zu präsentieren, dass man ihnen auch in der realen Welt Glauben schenken konnte. Verisimilitude wurde zu dieser Zeit auch mit einem anderen aristotelischen dramatischen Prinzip verbunden, dem decorum: der realistischen Vereinigung von Stil und Thema. Die poetische Sprache der Figuren in einem belletristischen Werk musste demnach dem Alter, dem Geschlecht oder der Rasse der Figur angemessen sein.
Dieser klassische Begriff der Verisimilitude konzentrierte sich auf die Rolle des Lesers in seiner Auseinandersetzung mit dem fiktionalen Kunstwerk. Das Ziel des Romans, der zu einer populären Form der Verisimilität wurde, war es daher, den Leser zu belehren und ihm eine angenehme Erfahrung zu bieten. Der Roman musste die Bereitschaft des Lesers fördern, seinen Unglauben zu suspendieren, eine Formulierung, die ursprünglich von Samuel Taylor Coleridge verwendet wurde. Verisimilitude wurde das Mittel, um diese Einstellung zu erreichen. Um die Bereitschaft zur Aufhebung des Unglaubens zu fördern, musste ein fiktionaler Text Glaubwürdigkeit besitzen. Alles, was in der Weltanschauung des Lesers oder in der Erfahrung der Menschheit physisch möglich war, wurde als glaubwürdig definiert. Durch Verisimilitude war der Leser in der Lage, die Wahrheit auch in der Fiktion zu erkennen, weil sie realistische Aspekte des menschlichen Lebens widerspiegelte.